Junge hält sich schützend die Hand vor sein Geschlecht

Genitalbeschneidung schädigt – auch Knaben

Fakten zur rechtlichen Situation

Grundsatz

Einem Kind einen Körperteil zu amputieren stellt eine Körperverletzung dar (Art. 122/123 StGB). Eine Körperverletzung kann auch bei einem Kind nur durch einen unmittelbaren medizinischen Nutzen für das Kind und seine informierte Einwilligung gerechtfertigt werden. Weil beides fehlt – der unmittelbare medizinische Nutzen und die informierte Einwilligung – ist die Amputation der gesunden Vorhaut rechtswidrig. Auch die zahlreichen medizinisch begründeten Beschneidungen sind in der Mehrheit rechtswidrig, da der medizinische Nutzen für das Kind meist nicht gegeben ist.

Bei Körperverletzungen an Kindern gilt nach Schweizer Gesetzgebung generll die Offizialmaxime, d.h. die Strafbehörden müssten die Tat von Amtes wegen verfolgen. Dieser Verpflichtung kommen die Strafbehörden aktuell jedoch trotz zahlreich ergangener Strafanzeigen nicht nach.

Ausführlich:

Die Amputation der Penisvorhaut an Kindern. Eine Einordung ins schweizerische Recht unter Berücksichtigung der medizinischen Fakten. Sehen Sie HIER


Rechtssprechungen in der Schweiz

(Chronologisch)


Strafanzeige 4, in Vorbereitung 2024


Strafanzeige 3, Mai 2021

Pro Kinderrechte Schweiz hat im Mai 2021 erneut eine Strafanzeige gegen einen Arzt eingereicht, welcher auf seiner Homepage anbietet, gesunden Kindern die Vorhaut zu amputieren. Diese Strafanzeige wurde ohne Begründung nicht anhandgenommen. Pro Kinderrechte Schweiz hat gegen diese Nichtanhandnahme nun beim Obergericht Beschwerde eingereicht. Diese Beschwerde wurde durch das Obergericht abgelehnt. Momantan wird die Beschwerde an das Bundesgericht ausgearbeitet.


Strafanzeige 2, April 2020

Pro Kinderrechte Schweiz hat im April 2020 erneut eine Strafanzeige gegen einen Arzt eingereicht, der gesunden Kindern die Vorhaut amputiert. Doch auch diese Strafanzeige wurde mit der gleichen widersprüchlichen Begründung nicht anhand genommen: Die Vorhautamputation stelle gemäss Gesetz zwar eine Körperverletzung (122/123 StGB) als Offizialdelikt dar, es gebe aber kein Gesetz, welches die Genitalbeschneidung von Knaben verbiete.
Auch die aufsichtsrechtliche Beschwerden gegen diese Nichtanhandnahme wurde abgelehnt.


Beschneidung untersagt, Obergericht Kt. Zürich 2019

Das Zürcher Obergericht untersagte es mit Urteil vom Juni 2019 einer Mutter, ihren Sohn aus religiösen Motiven beschneiden zu lassen. Ein achtjähriger Junge – er war durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in einem Kinderheim untergebracht – sollte nach dem Willen seiner Mutter beschnitten werden. Die KESB untersagte der Mutter die Beschneidung jedoch. Die Behörde war der Ansicht, die Beschneidung gefährde das Wohl des Jungen, weil er bei jedem Arztbesuchen erhebliche psychische Störungen zeigte. Die Mutter legte gegen diesen Entscheid Beschwerde ein und gelangte damit bis ans Zürcher Obergericht, welches den Entscheid der KESB mit seinem Urteil aber stützte, d.h. der Junge wurde nicht beschnitten. Aus dem Urteil geht hervor, dass der Junge nur dank seinen psychischen Störungen der Beschneidung entgangen ist. Das bedeutet: Wäre der Junge gesund gewesen, hätte er prinzipiell beschnitten werden können.

Urteil des Obergerichts des Kanton Zürich, 2019


Strafanzeige 1, April 2018

Pro Kinderrechte Schweiz hat im April 2018 eine Strafanzeige gegen einen Arzt eingereicht, der gesunden Kindern die Vorhaut amputiert. Die Strafanzeige wurde jedoch mit der widersprüchlichen Begründung abgelehnt, die Vorhautamputation stelle gemäss Gesetz zwar eine Körperverletzung (122/123 StGB) als Offizialdelikt dar, es gebe aber kein Gesetz, welches die Genitalbeschneidung von Knaben verbiete.

Auch die Aufsichtsrechtliche Beschwerde gegen die Nichtanhandnahme der Strafanzeige wurde abgelehnt.


Urteil im Fall einer abgetrennten Eichel bei einer rituellen Beschneidung im Spital, Genf 2017

Ein Facharzt für Urologie wurde der fahrlässigen schwerer Körperverletzung angezeigt. Er führte am 31. Juli 2014 eine rituell begründete Beschneidung an einem vier Jahre alten Jungen im Spital unter partieller Anästhesie durch. Zum Zeitpunkt des Einschnitts machte das Kind mit dem Becken eine Bewegung, wodurch der Arzt dem Jungen die Eichel mit dem Skalpell abtrennte. Der Arzt konnte die Eichel gleich anschliessend zwar wieder annähen, doch es waren später noch drei weitere Operationen notwendig und der Junge musste einen Monat in Spitalpflege bleiben. Das Kind litt unter Schmerzen und war geschockt. Das Kind und die Eltern mussten durch die Kinderpsychiatrie betreut werden. Unansehnliches Aussehen des Penis und Empfindungsstörungen werden als Folge befürchtet.

Das Gericht hatte zu beurteilen, ob der Arzt beim Eingriff seine Sorgfaltspflicht verletzt hatte, d.h. ob ihm die Amputation der Eichel vorzuwerfen ist. Auch war zu beurteilen, ob seine anschliessenden Interventionen korrekt waren. Der Arzt wurde vollumfänglich freigesprochen.

Das Gericht hatte in der ganzen Debatte nicht beachtet, dass es sich um einen medizinisch nicht notwenigen Eingriff handelte.

Das Urteil: Canton de Genève, Tribunal de Police, Chambre 6, Jugement de 13.07.2017


Beschneidung untersagt, Urteil des Kantonsgericht Graubünden, 2013

Das Kantonsgericht Graubünden und untersagte es einer Mutter, ihren Sohn beschneiden zu lassen. Das Gericht erachtete es als äusserst problematisch, wenn das Kind bereits vor Erreichen der Religionsmündigkeit durch eine Entscheidung der Mutter unabänderlich auf eine Religion geprägt werden würde.

Das Urteil des Kantonsgericht Graubünden von 2013


Strafbefehl der Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich, 2013

Ein Elternteil wird der (einfachen) Körperverletzung schuldig gesprochen, weil sie ihr männliches Kind hatte beschneiden lassen.

Strafbefehl sehen Sie HIER


Strafanzeige, 25.07.2012

Eine uns unbekannte Person hat diese Strafanzeige kurz nach dem Kölner Gerichtsurteil eingereicht. Wir bitten diese Person, sich bei Pro Kinderrechte Schweiz melden.


Artikel zur rechtlichen Situation



Eine kurze Übersicht


Medizinische Grundsätze

Medizinische Behandlungen und Eingriffe werden immer konservativ durchgeführt, das heisst, es wird immer zuerst jene Behandlung gewählt, welche die geringsten Nebenwirkungen, Schädigungen und Risiken birgt. (Zähne werden zuerst geflickt, bevor sie gezogen werden.)

Liegt eine Krankheit oder körperliche Schädigung vor, müssen die zu befürchtenden gesundheitlichen Nachteile bei Nichtbehandlung, die in Kauf zu nehmenden Schädigungen und Risiken einer Behandlung übertreffen.

Beide Grundsätze werden bei einer medizinisch nicht wirklich notwendigen Genitalbeschneidung offensichtlich missachtet.


Genitalbeschneidung im Ermessen der Eltern?!

Wenn man davon ausgeht, dass eine Genitalbeschneidung eine Bagatelle und mit dem Ohrlochstechen vergleichbar ist, dann kann eine Diskussion darüber, ob ein solcher Eingriff im Ermessen der Eltern liegt, durchaus gerechtfertigt sein.

Wenn man jedoch die medizinischen Tatsachen und Folgen einer Genitalbeschneidung betrachtet, mutet die Frage, ob man ein Kind ohne medizinische Notwendigkeit beschneiden darf, äusserst grotesk an.

Eine Genitalbeschneidung hat für den Betroffenen gravierende und irreversible Folgen und birgt ein erhebliches Komplikationsrisiko. Bereits sehr viel geringere Verletzungen von Kindern werden ohne Wenn und Aber strafrechtlich verfolgt, und es ist dabei diskussionslos klar, dass solche Verletzungen von Kindern nie und nimmer im Ermessen der Eltern liegen können.


Die Genitalbeschneidung von Knaben bezüglich kultureller und religiöser Rechtfertigungen

Das Schweizerische Bundesgericht hat wiederholt in seinen Rechtsprechungen unmissverständlich festgehalten, dass sich die Religionsfreiheit an den Schranken der Gesetze unseres Rechtsstaates erschöpft[1].


Eine Genitalbeschneidung ist eine schwere Körperverletzung

Die Amputation der Vorhaut stellt eine Körperverletzung dar (Art. 122/123 StGB[2]). Da es sich um ein wehrloses, nicht einwilligungsfähiges Kind handelt, ist die Genitalbeschneidung ein Offizialdelikt[4].

Das Genital des Mannes stellt im Sinne von Art. 122 StGB[3] “ein wichtiges Organ” dar. Mit der Vorhaut wird ein sexuelles Wahrnehmungsorgan amputiert. Amputationen von Wahrnehmungsorganen sind unbedingt als schwere Körperverletzung einzustufen.

In Anbetracht der Komplikationsrisiken, welche durch den Eingriff zum Nachteil des Kinds in Kauf genommen werden, muss der Eingriff auch als Gefährdung der Gesundheit gemäss Art. 127 StGB[5] beurteilt werden.

Eine Genitalbeschneidung ohne unbedingte medizinische Notwendigkeit widerspricht im Weiteren mehreren Bestimmungen der Bundesverfassung[6], der UN-Kinderrechtskonvention[7] sowie dem Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin[8].


Warum gibt es keine Strafverfolgung?

Es kommt zu keiner Strafverfolgung, weil die betroffenen Knaben auf Grund ihres Alters selber nicht anzeigen können, und wenn die Knaben erwachsen sind, ist die Straftat verjährt und der Beschneider nicht mehr auszumachen und möglicherweise auch schon gestorben. Zudem, welches Kind zeigt schon seine eigenen Eltern an?!

Die Genitalbeschneidung wäre ein Offizialdelikt, d.h. die Staatsanwaltschaft müsste, wenn sie von einer Genitalbeschneidung Kenntnis hat, eigentlich von sich aus eine Untersuchung und ein Strafverfahren einleiten. Warum sie bis heute untätig ist, bleibt schleierhaft.


Fussnoten

[1] z.B.: BGE 135 I 79, BGE 119 IV 260 (Zurück zur Textstelle)


[2] Art. 123 Einfache Körperverletzung
1 Wer vorsätzlich einen Menschen in anderer Weise an Körper oder Gesundheit schädigt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Die Strafe ist Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe, und der Täter wird von Amtes wegen verfolgt,
wenn er Gift, eine Waffe oder einen gefährlichen Gegenstand gebraucht,
wenn er die Tat an einem Wehrlosen oder an einer Person begeht, die unter seiner Obhut steht oder für die er zu sorgen hat, namentlich an einem Kind,

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[3] Art. 122 StGB 3. Körperverletzung. Schwere Körperverletzung
Wer vorsätzlich einen Menschen lebensgefährlich verletzt, wer vorsätzlich den Körper, ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder ein wichtiges Organ oder Glied unbrauchbar macht, einen Menschen bleibend arbeitsunfähig, gebrechlich oder geisteskrank macht, das Gesicht eines Menschen arg und bleibend entstellt, wer vorsätzlich eine andere schwere Schädigung des Körpers oder der körperlichen oder geistigen Gesundheit eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft.

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[4] Offizialdelikt bedeutet, die Strafverfolgungsbehörden müssen von sich aus tätig werden. Sie sind verpflichtet eine Untersuchung und Strafverfolgung führen, wenn sie von der Straftat Kenntnis haben. (Zurück zur Textstelle)


[5] Art. 127 StGB, Gefährdung des Lebens und der Gesundheit. Aussetzung
Wer einen Hilflosen, der unter seiner Obhut steht oder für den er zu sorgen hat, einer Gefahr für das Leben oder einer schweren unmittelbaren Gefahr für die Gesundheit aussetzt oder in einer solchen Gefahr im Stiche lässt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. (Zurück zur Textstelle)


[6] Art. 7 Bundesverfassung, Menschenwürde
Die Würde des Menschen ist zu achten und zu schützen.
Art. 10 Abs. 2 BV, Recht auf Leben und persönliche Freiheit
2 Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit.
Art. 11 Abs. 1 BV, Schutz der Kinder und Jugendlichen
1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung.
Art. 15 BV, Glaubens- und Gewissensfreiheit
1 Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.
2 Jede Person hat das Recht, ihre Religion und ihre weltanschauliche Überzeugung frei zu wählen und allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu bekennen.
4 Niemand darf gezwungen werden, einer Religionsgemeinschaft beizutreten oder anzugehören, eine religiöse Handlung vorzunehmen oder religiösem Unterricht zu folgen.

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[7] Art. 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention, Wohl des Kindes
1 Bei allen Massnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.
Art.14 Abs. 1, UN-KRK, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
1 Die Vertragsstaaten achten das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.
Art. 19 Abs. 1 UN-KRK, Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung, Verwahrlosung
Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmassnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenzufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschliesslich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.
Art. 24 UN-KRK, Gesundheitsvorsorge
1 Die Vertragsstaaten erkennen das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmass an Gesundheit an …
3 Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Massnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.

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[8] Art. 1 Abs. 1 Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, Schutz einwilligungsunfähiger Personen
1 Bei einer einwilligungsunfähigen Person darf eine Intervention nur zu ihrem unmittelbaren Nutzen erfolgen. (Zurück zur Textstelle)